17 Apr 2024

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Intro Magazin über The Grass Is Always Greener

Zehn Jahre lang ist Barbara Morgenstern nun schon Teil dieses wundersamen Musikkosmos’, zuletzt veröffentlichte sie das Album “Tesri” gemeinsam mit To Rococo Rots Robert Lippok. Ihre aktuelle “Grass”-Platte erscheint wie die früheren auch auf Gudrun Guts Label Monika Records und klingt vertraut: ein Dutzend Songs, alle selbst gestrickt, Hauptbestandteile sind der kristallklare Gesang Morgensterns und ihr Orgelspiel. “The Operator” (die Single) besitzt einen englischen Refrain, einen deutschen Text und einen minimalistischen Beat, fast kuschelig wird es bei “Alles Was Lebt Bewegt Sich”, wäre da nicht die umtriebige Unruhe, die in allen Songs zu bemerken ist.
Da will jemand schnell weiter, nach links, rechts, egal, vielleicht nach “Mailand” zur “Japanischen Schranke”? Oder doch zu “Unser Mann Aus Hollywood”? Ist es dort, wo man gerade nicht ist, wirklich immer schöner? Rein theoretisch schon.

Rote Raupe: TGIAG

barbara morgenstern ist zurück. nicht nur von ihrer welttournee im auftrag des goethe-instituts, nein, auch mit einem neuem album: "the grass is always greener". das diese beide tatsachen aber unabdingbar zusammen gehören erschließt sich einem schnell.

da wäre zum einen das cover. im vordergrund eine landebahn, im hintergrund eine collage aus allen möglichen gebäuden dieser erde und rechts vorne in der ecke barbara morgenstern, mit koffer in der hand auf ihrem weg nach hause.

zum anderen zeugen songtitel wie "mailand" oder "die japanische schranke" von den eindrücken, den die verschiedenen orte und kulturkreise auf frau morgenstern hinterlassen haben. seine logische fortsetzung findet das ganze zu guter letzt in den texten. so entstand der titelsong zwar in san francisco, der text behandelt aber nicht die geheimnisse dieser stadt, sondern eine eher leidige frage: ist es wirklich immer dort am schönsten, wo ich/wir/man gerade nicht bin/sind/ist? weiter geht's mit "unser mann aus hollywood" und dem traum eines mädchens von ruhm und ehre, sorglosigkeit und sonnenschein.

es finden sich jedoch auch genug songs auf dem album, die nichts mit der großen weiten welt zu tun haben - sondern eher mit den kleinen, alltäglichen dingen: älterwerden, kunst, zeit.

wenn die weltumrundung aber auf eines keinen einfluss hatte, so ist das die musik. barbara morgenstern alben wird man auch in zukunft nicht in der weltmusik-abteilung finden. im vordergrund steht immer noch die elektronik samt ihrer vielfältigen effekte und - besonders hervorstechend - das piano. dazu ihre stimme, die klarer nicht sein kann und dabei eine melancholische grundstimmung vermittelt, aus der man nicht wieder auftauchen möchte. tut man dies - gezwungenermaßen - nach 45 minuten und 38 sekunden dann doch, möchte man barbara morgenstern auf der stelle bei ihrer nächsten reise zum "operator" begleiten, um die ein oder andere frage zu diskutieren. sollte das aber nicht möglich sein, empfiehlt es sich noch einmal die play-taste zu drücken und sich zu erfreuen: an intelligenten texten von einer weitgereisten frau, verpackt in eleganter, graziöser musik. bitte reisen sie weiter, es gibt noch viel zu sehen.

De:Bug über Tesri

Sowieso cool
Allein machen sie dich ein. Im richtigen Doppel ist man dagegen unschlagbar, wie Robert Lippok und Barbara Morgenstern mit ihrem Album “Tesri” beweisen.

 

Irgendwann ist Schluss mit lustig? Nein, irgendwann fängt lustig erst richtig an. Zum Beispiel wenn man auch die letzte Falle der gängigen Musikerbiographie überwunden hat. Normalerweise läuft es doch so: Schritt eins, die Jugend hat mäßig Kopf, dafür viel kochendes Blut und will vor allem Krawall schlagen und abtanzen. Schritt zwei, der Kopf wächst, das Blut kühlt sich ab, das Bedürfnis nach etwas Gediegenem, Bleibendem wird übermächtig und man macht Krautrock oder Chansons. Schritt drei, man richtet sich in Schritt zwei ein, wird blasser und blasser und wartet darauf, dass einen das Goethe Institut um die Welt schickt. Robert Lippok hätte als Teil von Torococorot und Barbara Morgenstern als Solokünstlerin die besten Aussichten, nach diesem Schema langsam auszurollen. Dann wäre wirklich Schluss mit lustig. Aber die beiden haben sich und damit den Ausweg aus der drohenden Malaise gefunden.
Ihr gemeinsames Album ”Tesri“ feiert in abgeklärter Ausgelassenheit, dass sie als Produzentenpaar endlich eine Menge beengender Eigenschaften hinter sich gelassen haben: Sie sind nicht nerdig, nicht privatistisch, nicht revoltierend, nicht konzeptuell, nicht sexy. Obwohl, nicht sexy? Sie sind so sexy wie Charlotte Rampling auf den Bildern von Jürgen Teller. Aber das ist eben keine jugendeingefrorene Sexyness. Aus dem Schutthaufen dieser ganzen abgelegten Eigenschaften erhebt sich überraschend und unbeabsichtigt, dafür aber mit umso größerer Souveränität ein alter Bekannter aus Jugendtagen, dem man damals nur aussichtslos hinterherrennen konnte, der jetzt aber plötzlich aus jeder Pore und jeder Note springt: Coolness. Robi und Babsi sind cool, gerade weil sie sich längst keine Gedanken um cool mehr machen müssen. Sie sind cool, weil sie sich lieber über Hunde und Essen unterhalten statt über Schallplatten und weil ihnen Humor sowieso viel wichtiger ist und weil sie sich lieber darüber streiten, ob das Tragen von Rock über Hose nun gestriges Kreuzberg ist oder morgiges Berlin Mitte, statt sich am Für und Wider eines deplazierten Basses aufzuhalten. Dann hat der Bass sich da eben mal festgesetzt.

Robert: Wir wollten schon eine gewisse Form von Coolness wahren. Aber wir sind davon ausgegangen, dass das, was wir machen, sowieso cool ist. Wir haben nicht extra darüber gesprochen, mussten es nicht hinterfragen. Wenn Barbara gesagt hat, das ist toll, ich aber Gänsehaut hatte …
Barbara: Umgekehrt aber auch. Was meinst du, wie oft ich Gänsehaut hatte.
Robert: … dann war es selbstverständlich, Verantwortung abzugeben, festzustellen, ich überblicke das Feld wohl noch nicht so richtig, soll der andere mal machen. Die Bedeutung von Humor wird dabei immer unterschätzt. Jemanden zu finden, der sich über die gleichen unsinnigen Sachen schlapplacht, finde ich fürs Musikmachen notwendig. Das soll nicht heißen, dass unsere Musik humoristisch wäre. Obwohl wir bei gewissen Sounds wissen, das kann man eigentlich nicht machen, das darf nicht sein, aber das Stück schreit danach und es kommt doch rein.
Wir haben im Blick, was im Bereich elektronischer Musik passiert, Morr Music, CCO. Da wollen wir aber raus. Gerade bei den Melodien achten wir darauf, dass sie nicht ins Elektronikafeld passen.
Barbara: Oder beim Gesang. Gehaucht sollte er auf keinen Fall sein. Ich finde es gerade gut, dass Damon Aaron von Telefon Tel Aviv so eine straighte Mainstream-Westcoast-Stimme hat. Mieko Shimozo ist ja auch nicht gerade zaghaft in ihrem Gesang.
Robert: Bei ihr mag ich den Yoko-Ono-Appeal. Sie singt Haikus. Mein Lieblingshaiku ist: Der Frosch / springt ins Wasser / Plumps.

So ist Tesri, so sind Robert und Barbara als Duo – sexy und cool auf eine Weise, die nur entstehen kann, wenn man bei Station drei angekommen ist, sich aber nur ein klitzekleines bisschen nach dem Zug zurück sehnt und keinesfalls nach einem warmen Plätzchen im Wartesaal Ausschau hält, sondern auf den nächsten Zug gen Ungewissheit springt und sich darauf verlässt, das alles gut gehen wird.
Quentin Tarrantino hat diesem größten Abenteuer aus der zweiten Lebenshälfte mit ”Jacky Brown“ ein Denkmal gesetzt. Robert und Barbara zeigen mit ”Tesri“, wie sehr das erst der eigentliche Anfang von lustig ist. (...)

De:Bug über Tesri

Barbara Morgenstern/Robert Lippok – TESRI

Traumpaar, Dream Team, Super Couple der Electronica oder was auch immer: Barbara Morgenstern und Robert Lippok muss man einfach lieben. Für Ihre Offenheit, für ihre immer neuen Projekte in Musik und Kunst, genau so für Ihre Konstanz und ihre musikalische Linie, die sie gefunden haben, und die Einmaligkeit in der Pop-Republik. Genug abgefeiert. Aber das wird hier erwähnt, weil „TESRI“ erwartbar gut geworden ist. Morgensterns Stimme klingt hier eher zurückhaltend an, fast scheint ihr Piano auf einigen Tracks (z.B. „Sommer“) prägender. Lippok, der Robert (To Rococo Rot), nicht der Ronald (Tarwater und To Rococo Rot, spielt hier Schlagzeug auf „Winter“) scheint gleichberechtigte Regie zu führen. Ausgefüllt werden die Tracks von Gästen wie der Japanerin Miko Shimizo (Vocals), Damon Aaron (Telefon Tel Aviv, Vocals) oder Bernd Jestram (Tarwater, Gitarre). „TESRI“ war vorhersehbar, und hat alle Ansprüche, die an Morgenstern und Lippok bei solch einem Projekt zu stellen wären, erfüllt. Nicht wenig, in einer chaotischen Zeit

Intro Magazin über Tesri

Zurzeit tourt Barbara Morgenstern zusammen mit Stefan Schneider (Ex-Kreidler, To Rococo Rot) und Paul Wirkus (in Köln lebender Produzent und Improvisationsmusiker) als September Collective. Sie zeigten nicht nur im Kölner Subway, wie strahlend schön Musik ohne Sprache sein kann und wie wichtig Wiederholung für Ekstase ist. Und wie nah Beruhigung und Euphorie beieinander liegen können. Auf dem neuen Album „Tesri“ hat Morgenstern sich mit Robert Lippok (ebenfalls To Rococo Rot) zusammengetan. Das Tolle an elektronischer Musik ist auch hier deren hörbare Feinteiligkeit, Feinporigkeit. Das 1000mal Atemanhalten per minute. Auf „Tesri“ verbinden sich Morgensterns sehr verspieltes, nach eigenen Aussagen aber nicht-niedliches Pop-Verständnis und ihre prägnanten, warmen Keyboard-Linien mit Lippoks reduzierteren, klickerbahnklackernden, zischenden, teppichartigen (Beat-) Arrangements, die stets unter der großen Melodie fließen und den Song treiben.
Das Besondere ist die manchmal melancholische, manchmal ungebrochene, oft fluffige, manchmal sattsüße, tröstende Fröhlichkeit der Musik. Bekannterweise ist es ja viel leichter, traurige Songs zu schreiben. Computerspielsounds klingeln tropfig hineingeballert, ploppen wie kleine Spielomaten-Raketen, die bald nach ihrem Auftauchen weich verglühen. Alle aufblitzenden Partikelchen finden sich aber in ganz klaren, schlüssigen und dichten Songs, die immer wieder in Ansätzen an eine verzücktere, poppigere Version von Matthew Herberts „Bodily Functions“ erinnern. Die spürbare Happiness lässt sich vielleicht auch als fühlbare Freude am Musikmachen der beiden bezeichnen, eine Liebeserklärung ans Tun. Ich hatte mein ganz eigenes Initialerlebnis: „Tesri“ hat mir einen der schönsten Momente der letzten Wochen verschafft. Auf dem engsten Raum für Musikrezeption, zwischen Kopfhörerstöpsel und Hirn. Ungewöhnlich früh draußen und ohnehin schon weggetreten von den ersten Sonnenstrahlen und angewärmter Luft nach so langer Zeit umschmeichelte mich vor allem „If The Day Remains Unspoken For“. Dies ist einer der zwei Songs mit Gastgesang. Neben der in London lebenden Japanerin Mieko Shimizo auf „Kaitusburi“ und Barbara Morgenstern, die auf „Sommer“ selber summt, singt hier die wunderbare sanfte Stimme Damon Aarons (Telefon Tel Aviv), so streichelnd und hübsch „you’re not gonna bring me down ...“ Sommer und Winter finden sich als Songs auf „Tesri“. Frühling ist die ganze Platte. Atmen. Anhalten. Lächeln. Wiederholen.

De:Bug über Kleiner Ausschnitt

Barbara Morgenstern – Kleiner Ausschnitt

Die erste Monika DVD ist ausgeschmückt von 11 Videos, gemacht zur Musik von Barbara Morgenstern. Die Filme zeigen den jeweils eigenen Blick auf den kleinen Ausschnitt, den Barbara mit ihrer Musik von sich preisgibt. Ihre sehr persönliche Musik von “Nichts Muss” veranlasst zu persönlicher Bezugnahme. “Phantasmen: Nichts und Niemand” verfolgt sich beispielsweise selbst leicht paranoid in den menschenleeren U-Bahn-Fluchten des Berliner Alexanderplatz, “Jantos und H.Rühl: Ohne Abstand” zeigt Barbara hautnah, durch den Effekt wie in einer Traumwelt, “Gudrun Gut: Nichts Muss” setzt Assoziationen im Interieur frei, “Thomas Fehlmann: Reset” erzeugt Aufmerksamkeit durch Langeweile, “Eike Swoboda: Aus heiterem Himmel” lässt den aufwendig aus Draht gebastelten Löti in seiner Festplattenwohnung wieder träumen, “Tina und Alex: Kleiner Ausschnitt” machen die Sicht der Kamera im Lumpini Park in Bangkok zum Fenster mit Ausblick, “Tim Voss: Gute Nacht” filmt eine weiße Feier mit Farn, “OCBK: Move” zeigen mit drei Sportlerinnen auf der Aschebahn den Move des Lebens, “Rob Flint: Is” abstrahiert das Figürliche und umgekehrt und schließlich Barbara selbst mit “We`re all gonna fucking die”, wo sie ausgelassen Faxen macht und sich austobt. Das geniale Geschenk also für Sozialposer und Flunkerbräute mit dem dezenten Hinweis: “Alles kann, nichts muss.”

ox-fanzine über Nichts Muss

Das ist wohl die Platte, die Barbara Morgenstern schon immer machen wollte. Endlich wird man sie in Interviews nicht mehr wegen des vermeintlich trashigen Sound ihrer alten Orgel nerven, denn bei "Nichts muss" hat sie einen Produktionsstandard erreicht, durch den das Album Fans ihrer älteren Platten vielleicht erst mal etwas glatt vorkommen wird.

Das mag im ersten Moment so erscheinen, aber nach einer kurzen Gewöhnungsphase ist es wieder da, dieses Feeling für wundervoll verklärte und hoffnungslos romantisch kribbelnde Popsongs. Vielleicht etwas kitschig, aber Frau Morgenstern hatte das nicht erst mit dieser Platte kultiviert, was hier aber passiert, ist jedenfalls eine weitere technische Perfektionierung bekannter Muster.

Doch den 11 Songs wird dabei genügend Leben eingehaucht, um sie nicht so synthetisch wirken zu lassen, wie das bei vielen anderen Elektronik-Acts der Fall ist. Das Mensch-Maschine-Verhältnis stimmt noch bei Frau Morgenstern, schließlich ist sie hier ja auch das dominierende Bindeglied.

 

Und dann noch diese Stimme, und diese Texte. Seufz! Musik zum Träumen, so scheiße das jetzt auch klingen mag ... (9/10)

Intro Magazin über Nichts Muss

In einer von Anachronismen und Vortäuschungen geprägten Zeit ist es schön, wenn Musik versucht, tatsächlich mal im Hier und Jetzt zu sein. Frei von Scheuklappen und doch das Ziel fest im Visier, nennen wir es: den eigenen Stil. Immer in Bewegung und sich selbst doch treu zu bleiben hat Barbara Morgenstern perfektioniert. Die Hürde des zweiten Albums nahm sie mit Bravour, und ihr drittes stellt klar: Das bin ich, und so bin ich. Man darf sich dabei in der süßen Sicherheit wiegen, dass es passt. Der Titel “Nichts Muss” liest sich erst mal komisch, und hoppla: “Aus Heiterem Himmel”, “Nichts Und Niemand”, “Ohne Abstand”, “Merci [Dass Es Dich Gibt]” heißen Barbara Morgensterns neue Lieder.
Aber was zweifelhafte Assoziationen weckt, bewegt sich hier bewusst zwischen Plattitüde und klarer, schnörkelloser Wahrheit. Schnörkellos – und dies ist positiv gemeint – ist auch “Fjorden”s würdiger Nachfolger. Ein Album, das mit Lo-fi wirklich nicht mehr viel zu tun hat, sondern vor romantischer, doch gewohnt spröder Eleganz Funken sprüht. Jeder Sound, jedes Wort ist an seinem Platz, und man hat wieder viel Gelegenheit, die Klarheit in den leidenschaftlich unblumigen Worten zu suchen. Das mag manchem zu ernst und verkopft erscheinen, aber genau das ist der Reiz. Den beschrittenen Weg weitab von pubertären Gedichtchen und schaumiger Gefühlsduselei geht Barbara Morgenstern mit Nonchalance. Pfeifend, singend, verträumt tänzelnd, hier und da innehaltend und die Haare schüttelnd. Das macht erstens Spaß und zweitens schön beduselt, danach wird der Kopf wieder gut frei. Einen freien Kopf sollte man haben, damit dieses Album nicht vorbeirauscht und die Chance hat, zu berühren. Die Qualitäten dazu hat es allemal. Barbara Morgenstern ist die Königin des poetisch spröden Elektronik-Pop. Schlichte Eleganz in Perfektion. Ein tolles Album!

De:Bug über Nichts Muss

Barbara Morgenstern nimmt uns mit auf den Dancefloor des introvertiert verträumten Autorenpops.

Bye, bye, Vermona

“Nichts Muss”, aber vieles kann. Barbara Morgenstein will poppiger und tanzbarer werden: “Ich will die Leute zum Rocken bringen.” War die Musik auf den anderen Morgenstern-Alben “Vermona” und “Fjorden” durch die Texte so wertvoll, so privat, geht “Nichts Muss” noch einen Schritt weiter. Emotions-Sharing als Prinzip. Dem introvertierten Selbstbezug der Texte auf den früheren Alben wird auf “Nichts Muss” die Abstraktion vom Autorensubjekt entgegengestellt. Man darf nicht mehr so nah ran an Barbara Morgenstern, was aber auch Vorzüge hat, da wir ja auch nicht im stillen Kämmerlein tanzen gehen. “Nichts Muss” verlässt selbstbewusst die Lofi-Nische mit ihrem Vermona-Schaukelstuhl und traut sich raus in die große Welt hochglänzenden Songwriter-Entertainments mit ihren Intimitätsformeln für Millionen. Genau darin nicht unterzugehen, ist die künstlerische Großtat des Albums. Im Bewusstsein, dass jugendliche Verschrobenheit ab einem bestimmten Professionalitätsgrad nur noch als gekünstelte Lüge durchzuhalten ist, wirft Barbara Morgenstern auch die letzten Reste davon über Bord und wird in einem Riesenschritt “erwachsen” – gewinnt aber nur mehr Charakter dadurch. Man bekommt immer noch ein Riesenhappen Barbara Morgenstern zu spüren. Der persönliche Spagat zwischen “hyperpersonal” Songs und dem Anspruch an distanzschaffende Bewegung tritt dabei am ehesten live zu Tage. Selten hat man jemanden so extrovertiert und dabei doch so stark in sich zurückgezogen spielen sehen.
Groß geworden in einem stark musikorientierten Elternhaus, Hauskonzerte inklusive, macht die Wahl-Berlinerin Morgenstern schnell deutlich, wie sich ihr musikalischer Bezugsrahmen entwickelt hat. Ausgebrochen aus der langweiligen westdeutschen Provinz landete sie über Hamburg schließlich 1994 in Berlin.

Transzendentale Distanz

Barbara Morgenstern definiert auf “Nichts Muss” mal eben die Bezugspunkte ihres Universums – und das Schöne ist, jeder darf mitkommen. ”Berühr’ meine Seele, aber fass mich nicht an. Der Platz zwischen uns ist immer notwendig, damit man das Gesamte sehen kann.” Das Oszillieren von Selbst- und Außenbezug funktioniert in Barbaras Kosmos eher durch Menschen, die ihr am wichtigsten und nahesten sind. Mit Robert Lippok und Stefan Schneider von To Rococo Rot wurde in der Vergangenheit das improvisierte Experiment zum Prinzip erhoben. Der Anspruch an Tanzbarkeit entsteht nicht nur in diesem Umfeld, sondern besonders aus der Live-Situation. “Ich will, dass die Leute meine Musik so spüren können, dass sie sich bewegen. Klar ist das manchmal schwer bei meiner Musik, aber mit dem neuen Album bin ich dieser Idee auf jeden Fall auf der Spur.” Der Bass wird manchmal konkreter, das Arrangement scheint klarer und doch weiter gefasst zu sein als noch bei “Vermona” und “Fjorden”. Ganz aus der Hand gibt Barbara Morgenstern den Hang zum Groove bei ihren Remixen. Auf dem aktuellen Release aus “Nichts Muss” wird bei den “Himmel Mixen” (Monika Enterprise) Salz und Pfeffer den anderen Köchen überlassen.

De:Bug über Nichts Muss

Ich und meine Vermona hat sich endgültig ausgequäkt. Barbara Morgenstern will sich immer weniger hinter Lofi-Charmanterien verstecken. Auf “Nichts muss” geht es mit so luftig professioneller State of the Art-Produktion in ein nachhaltiges Leinenhemdsongwriting, das natürliche Aura, ehrliche Direktheit und deren kunstvolle Inszenierung auf ausggefuchstester Ebene zusammenbringt. Verhalten, aber keinesfalls schüchtern, betont, aber nicht affektiert, kombiniert Barbara Morgenstern mit Stefan Betkes Unterstützung den Kaminfeuerplatz im Wohnzimmer mit dem Panoramablick über den Alexanderplatz. “Nichts muss” findet das Private im Urbanen und das Urbane im Privaten. Die Frage nach der Großstadt als Heimat wurde selten so zwiespältig schön aufgeworfen wie auf diesen 11 Songs.

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