17 Apr 2024

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kulturnews

Auf dem Cover sieht man Morgenstern, wie sie eine wüst zusammengestückelte Wolkenkratzercollage hinter sich lässt, und sofort denkt man dabei an die postmoderne Stilvergessenheit des Potsdamer Platzes: goodbye Hauptstadthype. Morgenstern hat ihren Sound nicht nennenswert verändert. Immer noch verträumte Elektronik, introspektive Texte, Anknüpfungen an Chanson auf der einen Seite, an Techno auf der anderen. Wohnzimmerpop halt, nur dass mittlerweile nach Klischee klingt, was vor drei Jahren in seiner schonungslosen Intimität noch neu war. Aber wie der Vorgänger "Nichts muss" ist auch "The Grass is always greener" ein Album, das sich nicht sofort erschließt; Veränderungen sind bei Morgenstern im Detail versteckt. Zum Beispiel spielt die bislang prägende Vermona-Orgel nur noch eine Nebenrolle, wurde ersetzt durch Piano und aufwändige Elektronik. Auch fehlt der aktuellen CD das Maßlose, das Mäandernde, vielleicht auch das Raffinierte. Morgenstern ist konventioneller geworden. Eine Absage ans Hauptstädtisch-Aufgeregte. Ein kleiner, großer Wurf.

ox-fanzine über The Grass Is Always Greener

Barbara Morgenstern wird es wahrscheinlich nicht mehr hören können, aber es gibt sicher immer noch genug Leute, die ihrem alten, leicht trashigen Vermona-Wohnzimmer-Elektroniksound nachweinen. Den hat sie allerdings schon etwas länger hinter sich gelassen und präsentiert auch auf ihrer neuen Platte einen im ersten Moment etwas austauschbar wirkenden, synthetischen Laptop-Sound.

"The Grass Is Always Greener" braucht ein paar Durchgänge, aber dann ist sie wieder da, die Magie von Morgensterns naiv-romantischen Lyrics, ihren angenehm unperfekten, altmodischen Popsongs und eine grundsätzlich sehr warme Atmosphäre, die man nicht auf jeder rein elektronischer Platte finden kann, und sich vielleicht ja mit einem gewissen femininen Touch erklären lässt.

Bei Morgenstern stehen halt Kerzen auf dem Laptop - eine hoffnungslose Romantikerin eben. Neben der richtig straighten Elektropop-Nummer "The Operator" - da sind die frühen DEPECHE MODE nicht weit - überraschen immer wieder die wunderschönen Instrumentaltracks, bei denen Morgenstern auch ohne ihren leicht kantigen Gesang sehr charakteristische, atmosphärische Elektronik-Sounds gelingen.

Seit ihrer Debütplatte von 1997 - ihre alte Band OOF! davor wird ja immer gerne unter den Teppich gekehrt - ist sie jedenfalls ein Garant für Elektronikmusik mit deutlich menschlicher Note und ohne aufdringlichen Hipness-Faktor, man könnte es auch einfach nur schlicht Popmusik nennen, und zwar die der richtig guten Sorte.

(09/10)

Rote Raupe: TGIAG

barbara morgenstern ist zurück. nicht nur von ihrer welttournee im auftrag des goethe-instituts, nein, auch mit einem neuem album: "the grass is always greener". das diese beide tatsachen aber unabdingbar zusammen gehören erschließt sich einem schnell.

da wäre zum einen das cover. im vordergrund eine landebahn, im hintergrund eine collage aus allen möglichen gebäuden dieser erde und rechts vorne in der ecke barbara morgenstern, mit koffer in der hand auf ihrem weg nach hause.

zum anderen zeugen songtitel wie "mailand" oder "die japanische schranke" von den eindrücken, den die verschiedenen orte und kulturkreise auf frau morgenstern hinterlassen haben. seine logische fortsetzung findet das ganze zu guter letzt in den texten. so entstand der titelsong zwar in san francisco, der text behandelt aber nicht die geheimnisse dieser stadt, sondern eine eher leidige frage: ist es wirklich immer dort am schönsten, wo ich/wir/man gerade nicht bin/sind/ist? weiter geht's mit "unser mann aus hollywood" und dem traum eines mädchens von ruhm und ehre, sorglosigkeit und sonnenschein.

es finden sich jedoch auch genug songs auf dem album, die nichts mit der großen weiten welt zu tun haben - sondern eher mit den kleinen, alltäglichen dingen: älterwerden, kunst, zeit.

wenn die weltumrundung aber auf eines keinen einfluss hatte, so ist das die musik. barbara morgenstern alben wird man auch in zukunft nicht in der weltmusik-abteilung finden. im vordergrund steht immer noch die elektronik samt ihrer vielfältigen effekte und - besonders hervorstechend - das piano. dazu ihre stimme, die klarer nicht sein kann und dabei eine melancholische grundstimmung vermittelt, aus der man nicht wieder auftauchen möchte. tut man dies - gezwungenermaßen - nach 45 minuten und 38 sekunden dann doch, möchte man barbara morgenstern auf der stelle bei ihrer nächsten reise zum "operator" begleiten, um die ein oder andere frage zu diskutieren. sollte das aber nicht möglich sein, empfiehlt es sich noch einmal die play-taste zu drücken und sich zu erfreuen: an intelligenten texten von einer weitgereisten frau, verpackt in eleganter, graziöser musik. bitte reisen sie weiter, es gibt noch viel zu sehen.

BBC interview

Home sweet home.

Tibor Fischer’s novel, Voyage To The End Of The Room, tells the tale of a woman who thinks she can explore the world without leaving her house. Barbara Morgenstern, however, has made a journey the other way. In 1996 she was a member of Berlin’s Wohnzimmer (living room) scene, where musicians tired of the music industry treadmill literally began playing concerts in their own front rooms.

Yet, fast-forward seven years and Barbara found herself on a year-long world tour organised by Germany’s Goethe-Institut with fellow electro-pop romanticist Maximillian Hecker. An experience which provided the kernel for her new album, The Grass Is Always Greener.

“It was really exciting to be somewhere like Tokyo or Mumbai where everything – food, people’s behaviour - is completely different,” she says. “Yet it was exhausting, too, because you can’t really get into a city in just three days, so the album is more like a series of impressions.”

But you don’t need a German dictionary to grasp that the landscapes Barbara is exploring in songs like Alles Was Lebt Bewegt Sich (All Life Is In Motion) are as much internal as international. For whereas many musicians might return from a world tour and start throwing bongos, sitars and other exotic instruments into their songs, Barbara seems to have retreated further into her own hermetic musical world – her diaphanous vocals, piano and electronic splashes sounding as if she never quite left the intimate headspace of her own living room, even when many time zones away.

“The tour came at a time that wasn’t easy for me,” she admits. “I was having relationship troubles and my father had just died. So a lot of the album is about how you can move from unlucky to lucky so quickly, and how the saddest and happiest moments of your life often happen right next to each other.”

It’s perhaps not too fanciful to see The Grass Is Always Greener as a 21st-century electronic equivalent of Paul Simon’s Homeward Bound - timeless, universal pop music inspired by a very personal yearning - because it’s Berlin where her heart lies and which continues to exert the biggest influence on her music, combining her love of Joni Mitchell with the sonic experimentalism of her friends like To Rococo Rot (with whom she collaborated as part of September Collective), Pole and Thomas Fehlmann.

“I’ve realised that Berlin is a really good place because my friends are here and there’s so much going on culturally. Other places seemed so much louder and, although Berlin is very big, there are also plenty of quiet places. I feel so free here.”

De:Bug über Tesri

Sowieso cool
Allein machen sie dich ein. Im richtigen Doppel ist man dagegen unschlagbar, wie Robert Lippok und Barbara Morgenstern mit ihrem Album “Tesri” beweisen.

 

Irgendwann ist Schluss mit lustig? Nein, irgendwann fängt lustig erst richtig an. Zum Beispiel wenn man auch die letzte Falle der gängigen Musikerbiographie überwunden hat. Normalerweise läuft es doch so: Schritt eins, die Jugend hat mäßig Kopf, dafür viel kochendes Blut und will vor allem Krawall schlagen und abtanzen. Schritt zwei, der Kopf wächst, das Blut kühlt sich ab, das Bedürfnis nach etwas Gediegenem, Bleibendem wird übermächtig und man macht Krautrock oder Chansons. Schritt drei, man richtet sich in Schritt zwei ein, wird blasser und blasser und wartet darauf, dass einen das Goethe Institut um die Welt schickt. Robert Lippok hätte als Teil von Torococorot und Barbara Morgenstern als Solokünstlerin die besten Aussichten, nach diesem Schema langsam auszurollen. Dann wäre wirklich Schluss mit lustig. Aber die beiden haben sich und damit den Ausweg aus der drohenden Malaise gefunden.
Ihr gemeinsames Album ”Tesri“ feiert in abgeklärter Ausgelassenheit, dass sie als Produzentenpaar endlich eine Menge beengender Eigenschaften hinter sich gelassen haben: Sie sind nicht nerdig, nicht privatistisch, nicht revoltierend, nicht konzeptuell, nicht sexy. Obwohl, nicht sexy? Sie sind so sexy wie Charlotte Rampling auf den Bildern von Jürgen Teller. Aber das ist eben keine jugendeingefrorene Sexyness. Aus dem Schutthaufen dieser ganzen abgelegten Eigenschaften erhebt sich überraschend und unbeabsichtigt, dafür aber mit umso größerer Souveränität ein alter Bekannter aus Jugendtagen, dem man damals nur aussichtslos hinterherrennen konnte, der jetzt aber plötzlich aus jeder Pore und jeder Note springt: Coolness. Robi und Babsi sind cool, gerade weil sie sich längst keine Gedanken um cool mehr machen müssen. Sie sind cool, weil sie sich lieber über Hunde und Essen unterhalten statt über Schallplatten und weil ihnen Humor sowieso viel wichtiger ist und weil sie sich lieber darüber streiten, ob das Tragen von Rock über Hose nun gestriges Kreuzberg ist oder morgiges Berlin Mitte, statt sich am Für und Wider eines deplazierten Basses aufzuhalten. Dann hat der Bass sich da eben mal festgesetzt.

Robert: Wir wollten schon eine gewisse Form von Coolness wahren. Aber wir sind davon ausgegangen, dass das, was wir machen, sowieso cool ist. Wir haben nicht extra darüber gesprochen, mussten es nicht hinterfragen. Wenn Barbara gesagt hat, das ist toll, ich aber Gänsehaut hatte …
Barbara: Umgekehrt aber auch. Was meinst du, wie oft ich Gänsehaut hatte.
Robert: … dann war es selbstverständlich, Verantwortung abzugeben, festzustellen, ich überblicke das Feld wohl noch nicht so richtig, soll der andere mal machen. Die Bedeutung von Humor wird dabei immer unterschätzt. Jemanden zu finden, der sich über die gleichen unsinnigen Sachen schlapplacht, finde ich fürs Musikmachen notwendig. Das soll nicht heißen, dass unsere Musik humoristisch wäre. Obwohl wir bei gewissen Sounds wissen, das kann man eigentlich nicht machen, das darf nicht sein, aber das Stück schreit danach und es kommt doch rein.
Wir haben im Blick, was im Bereich elektronischer Musik passiert, Morr Music, CCO. Da wollen wir aber raus. Gerade bei den Melodien achten wir darauf, dass sie nicht ins Elektronikafeld passen.
Barbara: Oder beim Gesang. Gehaucht sollte er auf keinen Fall sein. Ich finde es gerade gut, dass Damon Aaron von Telefon Tel Aviv so eine straighte Mainstream-Westcoast-Stimme hat. Mieko Shimozo ist ja auch nicht gerade zaghaft in ihrem Gesang.
Robert: Bei ihr mag ich den Yoko-Ono-Appeal. Sie singt Haikus. Mein Lieblingshaiku ist: Der Frosch / springt ins Wasser / Plumps.

So ist Tesri, so sind Robert und Barbara als Duo – sexy und cool auf eine Weise, die nur entstehen kann, wenn man bei Station drei angekommen ist, sich aber nur ein klitzekleines bisschen nach dem Zug zurück sehnt und keinesfalls nach einem warmen Plätzchen im Wartesaal Ausschau hält, sondern auf den nächsten Zug gen Ungewissheit springt und sich darauf verlässt, das alles gut gehen wird.
Quentin Tarrantino hat diesem größten Abenteuer aus der zweiten Lebenshälfte mit ”Jacky Brown“ ein Denkmal gesetzt. Robert und Barbara zeigen mit ”Tesri“, wie sehr das erst der eigentliche Anfang von lustig ist. (...)

Intro Magazin über Tesri

Zurzeit tourt Barbara Morgenstern zusammen mit Stefan Schneider (Ex-Kreidler, To Rococo Rot) und Paul Wirkus (in Köln lebender Produzent und Improvisationsmusiker) als September Collective. Sie zeigten nicht nur im Kölner Subway, wie strahlend schön Musik ohne Sprache sein kann und wie wichtig Wiederholung für Ekstase ist. Und wie nah Beruhigung und Euphorie beieinander liegen können. Auf dem neuen Album „Tesri“ hat Morgenstern sich mit Robert Lippok (ebenfalls To Rococo Rot) zusammengetan. Das Tolle an elektronischer Musik ist auch hier deren hörbare Feinteiligkeit, Feinporigkeit. Das 1000mal Atemanhalten per minute. Auf „Tesri“ verbinden sich Morgensterns sehr verspieltes, nach eigenen Aussagen aber nicht-niedliches Pop-Verständnis und ihre prägnanten, warmen Keyboard-Linien mit Lippoks reduzierteren, klickerbahnklackernden, zischenden, teppichartigen (Beat-) Arrangements, die stets unter der großen Melodie fließen und den Song treiben.
Das Besondere ist die manchmal melancholische, manchmal ungebrochene, oft fluffige, manchmal sattsüße, tröstende Fröhlichkeit der Musik. Bekannterweise ist es ja viel leichter, traurige Songs zu schreiben. Computerspielsounds klingeln tropfig hineingeballert, ploppen wie kleine Spielomaten-Raketen, die bald nach ihrem Auftauchen weich verglühen. Alle aufblitzenden Partikelchen finden sich aber in ganz klaren, schlüssigen und dichten Songs, die immer wieder in Ansätzen an eine verzücktere, poppigere Version von Matthew Herberts „Bodily Functions“ erinnern. Die spürbare Happiness lässt sich vielleicht auch als fühlbare Freude am Musikmachen der beiden bezeichnen, eine Liebeserklärung ans Tun. Ich hatte mein ganz eigenes Initialerlebnis: „Tesri“ hat mir einen der schönsten Momente der letzten Wochen verschafft. Auf dem engsten Raum für Musikrezeption, zwischen Kopfhörerstöpsel und Hirn. Ungewöhnlich früh draußen und ohnehin schon weggetreten von den ersten Sonnenstrahlen und angewärmter Luft nach so langer Zeit umschmeichelte mich vor allem „If The Day Remains Unspoken For“. Dies ist einer der zwei Songs mit Gastgesang. Neben der in London lebenden Japanerin Mieko Shimizo auf „Kaitusburi“ und Barbara Morgenstern, die auf „Sommer“ selber summt, singt hier die wunderbare sanfte Stimme Damon Aarons (Telefon Tel Aviv), so streichelnd und hübsch „you’re not gonna bring me down ...“ Sommer und Winter finden sich als Songs auf „Tesri“. Frühling ist die ganze Platte. Atmen. Anhalten. Lächeln. Wiederholen.

ox-fanzine über Nichts Muss

Das ist wohl die Platte, die Barbara Morgenstern schon immer machen wollte. Endlich wird man sie in Interviews nicht mehr wegen des vermeintlich trashigen Sound ihrer alten Orgel nerven, denn bei "Nichts muss" hat sie einen Produktionsstandard erreicht, durch den das Album Fans ihrer älteren Platten vielleicht erst mal etwas glatt vorkommen wird.

Das mag im ersten Moment so erscheinen, aber nach einer kurzen Gewöhnungsphase ist es wieder da, dieses Feeling für wundervoll verklärte und hoffnungslos romantisch kribbelnde Popsongs. Vielleicht etwas kitschig, aber Frau Morgenstern hatte das nicht erst mit dieser Platte kultiviert, was hier aber passiert, ist jedenfalls eine weitere technische Perfektionierung bekannter Muster.

Doch den 11 Songs wird dabei genügend Leben eingehaucht, um sie nicht so synthetisch wirken zu lassen, wie das bei vielen anderen Elektronik-Acts der Fall ist. Das Mensch-Maschine-Verhältnis stimmt noch bei Frau Morgenstern, schließlich ist sie hier ja auch das dominierende Bindeglied.

 

Und dann noch diese Stimme, und diese Texte. Seufz! Musik zum Träumen, so scheiße das jetzt auch klingen mag ... (9/10)

Intro Magazin über Nichts Muss

In einer von Anachronismen und Vortäuschungen geprägten Zeit ist es schön, wenn Musik versucht, tatsächlich mal im Hier und Jetzt zu sein. Frei von Scheuklappen und doch das Ziel fest im Visier, nennen wir es: den eigenen Stil. Immer in Bewegung und sich selbst doch treu zu bleiben hat Barbara Morgenstern perfektioniert. Die Hürde des zweiten Albums nahm sie mit Bravour, und ihr drittes stellt klar: Das bin ich, und so bin ich. Man darf sich dabei in der süßen Sicherheit wiegen, dass es passt. Der Titel “Nichts Muss” liest sich erst mal komisch, und hoppla: “Aus Heiterem Himmel”, “Nichts Und Niemand”, “Ohne Abstand”, “Merci [Dass Es Dich Gibt]” heißen Barbara Morgensterns neue Lieder.
Aber was zweifelhafte Assoziationen weckt, bewegt sich hier bewusst zwischen Plattitüde und klarer, schnörkelloser Wahrheit. Schnörkellos – und dies ist positiv gemeint – ist auch “Fjorden”s würdiger Nachfolger. Ein Album, das mit Lo-fi wirklich nicht mehr viel zu tun hat, sondern vor romantischer, doch gewohnt spröder Eleganz Funken sprüht. Jeder Sound, jedes Wort ist an seinem Platz, und man hat wieder viel Gelegenheit, die Klarheit in den leidenschaftlich unblumigen Worten zu suchen. Das mag manchem zu ernst und verkopft erscheinen, aber genau das ist der Reiz. Den beschrittenen Weg weitab von pubertären Gedichtchen und schaumiger Gefühlsduselei geht Barbara Morgenstern mit Nonchalance. Pfeifend, singend, verträumt tänzelnd, hier und da innehaltend und die Haare schüttelnd. Das macht erstens Spaß und zweitens schön beduselt, danach wird der Kopf wieder gut frei. Einen freien Kopf sollte man haben, damit dieses Album nicht vorbeirauscht und die Chance hat, zu berühren. Die Qualitäten dazu hat es allemal. Barbara Morgenstern ist die Königin des poetisch spröden Elektronik-Pop. Schlichte Eleganz in Perfektion. Ein tolles Album!

De:Bug über Nichts Muss

Barbara Morgenstern nimmt uns mit auf den Dancefloor des introvertiert verträumten Autorenpops.

Bye, bye, Vermona

“Nichts Muss”, aber vieles kann. Barbara Morgenstein will poppiger und tanzbarer werden: “Ich will die Leute zum Rocken bringen.” War die Musik auf den anderen Morgenstern-Alben “Vermona” und “Fjorden” durch die Texte so wertvoll, so privat, geht “Nichts Muss” noch einen Schritt weiter. Emotions-Sharing als Prinzip. Dem introvertierten Selbstbezug der Texte auf den früheren Alben wird auf “Nichts Muss” die Abstraktion vom Autorensubjekt entgegengestellt. Man darf nicht mehr so nah ran an Barbara Morgenstern, was aber auch Vorzüge hat, da wir ja auch nicht im stillen Kämmerlein tanzen gehen. “Nichts Muss” verlässt selbstbewusst die Lofi-Nische mit ihrem Vermona-Schaukelstuhl und traut sich raus in die große Welt hochglänzenden Songwriter-Entertainments mit ihren Intimitätsformeln für Millionen. Genau darin nicht unterzugehen, ist die künstlerische Großtat des Albums. Im Bewusstsein, dass jugendliche Verschrobenheit ab einem bestimmten Professionalitätsgrad nur noch als gekünstelte Lüge durchzuhalten ist, wirft Barbara Morgenstern auch die letzten Reste davon über Bord und wird in einem Riesenschritt “erwachsen” – gewinnt aber nur mehr Charakter dadurch. Man bekommt immer noch ein Riesenhappen Barbara Morgenstern zu spüren. Der persönliche Spagat zwischen “hyperpersonal” Songs und dem Anspruch an distanzschaffende Bewegung tritt dabei am ehesten live zu Tage. Selten hat man jemanden so extrovertiert und dabei doch so stark in sich zurückgezogen spielen sehen.
Groß geworden in einem stark musikorientierten Elternhaus, Hauskonzerte inklusive, macht die Wahl-Berlinerin Morgenstern schnell deutlich, wie sich ihr musikalischer Bezugsrahmen entwickelt hat. Ausgebrochen aus der langweiligen westdeutschen Provinz landete sie über Hamburg schließlich 1994 in Berlin.

Transzendentale Distanz

Barbara Morgenstern definiert auf “Nichts Muss” mal eben die Bezugspunkte ihres Universums – und das Schöne ist, jeder darf mitkommen. ”Berühr’ meine Seele, aber fass mich nicht an. Der Platz zwischen uns ist immer notwendig, damit man das Gesamte sehen kann.” Das Oszillieren von Selbst- und Außenbezug funktioniert in Barbaras Kosmos eher durch Menschen, die ihr am wichtigsten und nahesten sind. Mit Robert Lippok und Stefan Schneider von To Rococo Rot wurde in der Vergangenheit das improvisierte Experiment zum Prinzip erhoben. Der Anspruch an Tanzbarkeit entsteht nicht nur in diesem Umfeld, sondern besonders aus der Live-Situation. “Ich will, dass die Leute meine Musik so spüren können, dass sie sich bewegen. Klar ist das manchmal schwer bei meiner Musik, aber mit dem neuen Album bin ich dieser Idee auf jeden Fall auf der Spur.” Der Bass wird manchmal konkreter, das Arrangement scheint klarer und doch weiter gefasst zu sein als noch bei “Vermona” und “Fjorden”. Ganz aus der Hand gibt Barbara Morgenstern den Hang zum Groove bei ihren Remixen. Auf dem aktuellen Release aus “Nichts Muss” wird bei den “Himmel Mixen” (Monika Enterprise) Salz und Pfeffer den anderen Köchen überlassen.

Pitchfork über Nichts Muss

Is it really possible to whisper in German? The language seems so naturally loud and boisterous that even intimate coos exchanged with my little Fraulein when I visited the country rang in my ears more as Sturm und Drang than pillow talk. Fricative whispers came out like menacing hisses, and pleasantries to "have und gute nacht" became jackbooted commands. That Barbara Morgenstern, by her voice alone, can find a supple middle ground that invokes neither a bondage-gear Heidi nor Nico in lederhosen on Nichts Muss speaks volumes about her sound sensibilities. She knows when to softly sing in Deutsch, when to slip into something a little more English for the internationally catchy choruses, and when to step back from the microphone and allow her piano playing to resonate.

"Aus Heiterem Himmel" pongs and pops with a rattling beat and honeyed vox that has folks like Dntel, Tarwater, and Ellen Alien already sticking to it with their recent remixes. Her piano glitches in and out of focus with a church organ moving slowly into the foreground. That organ is present again on "Nichts und Niemand", alluding to yet another bilingual pop group dabbling with technology, Stereolab. Her commanding coo to "come on, mooove" is titillating and utterly convincing, as are the glowing pin-prick ticks of a beat that tickle the ears and pulse about her cool piano keys.

For a techno-pop record, there are great expanses of the album that are stark and instrumental, warmed nicely by two stalwarts in the producers' chairs: Pole's Stefan Betke and Palais Schaumburg co-founder/ex-Orb collaborator Thomas Fehlmann. The German equivalent of having King Tubby and Jim O'Rourke manning the consoles, the two bring a nuanced clarity to the proceedings that is shockingly moderate and light. Avoiding the dense pulse of Fehlmann's microhouse work and the capacious crackles of Betke's more nominally recognized Pole persona, the two focus on keeping the beats both wispy and crispy, generally staying with simple percussive taps that give Morgenstern's supple voice and piano room to steal softly through the snow.

Surrounding the echoed crackle that reflects both Eyes Wide Shut's minimalist plinks and the chilly austerity of the ECM back catalog on a track like "Merci (Dass es Dich Gibt)", Betke rattles out some metal clangs that create sparks against the other elements, a testament to his skills beyond mere dub isolation chambers. "We're All Gonna Fucking Die" is certainly less dramatic than its title would hint at, but it's the most rocking of the set, thanks to the attack of the guitar across the red lights of the beat. The dropping in of plucked nylon strings to the flickering rhythms of the title track is the finest merger of acoustic and digital since the Spanish flurry of Basement Jaxx's Remedy and funky banjo of fellow countrymen The Notwist-- and the track expands to epic proportions when guitar kicks out a wah-wah funk lick midway through with some teeny electro ticks.

"Reset" is the most exquisite of the instrumental set, closing the album with the hiss of analog sizzle and an expansive, low-toned hover that takes full advantage of Betke's sound specialization, mixing in with gentle guitar figures. That, and the penultimate "Gute Nacht", encapsulate many sundry strands of Germany's electronic history: the glitch-pop format that Lali Puna and Neon Golden captured in miniature, the more abstract work of Morgenstern's two producers from the last two decades, and the electronic pastoral pleasures of Kraftwerk and Cluster that they all harken back to.

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